Im Gespräch mit Designer Michael Hilgers

Am 27.09.2016 besuchte uns der Designer Michael Hilgers in unserem Firmensitz an der Nordseeküste. Diese Chance ließen wir uns natürlich nicht entgehen und luden ihn zu einem kurzen Interview ein:

NL: Michael, schön dass du da bist! Zum Einstieg werfe ich mal das Stichwort „Design“ in den Raum. Was bedeutet das für dich ganz persönlich?

MH: im Grunde interessiert mich der Begriff „Design“ als solches eigentlich gar nicht. Heutzutage ist ja irgendwie alles „Design“! Es gibt Nageldesign, Hair-Design, wasauchimmer-Design…

Was mich vielmehr antreibt ist die oft gehörte Aussage: „Eigentlich gibt’s ja auch schon alles...!“:

Es ist eine sportliche Herausforderung für mich, das Gegenteil zu beweisen, also wirkliche Innovationen zu entwickeln. Mich beschäftigt dabei jedoch nicht die Erfindung neuer aussergewöhnlicher Formen, das bloße Styling, sondern viel mehr ist es meine Absicht, das 'Besondere im Allgemeinen' zu finden: Mal ist es der Mix aus unterschiedlichen Funktionen oder Typologien, mal ist es die Herausforderung, eine traditionelle Möbelkategorie so weit wie möglich in seinen Dimensionen zu reduzieren ohne dabei an Funktionalität einzubüßen- Was dabei herauskommt soll jedoch immer so reduziert und einfach wie möglich erscheinen - Vor allem muß jedoch immer eine Lösung für ein (Wohn)problem dabei herauskommen.

Das sieht man z.B. recht deutlich an den Produkten, die gemeinsam mit den Müller Möbelwerkstätten entstanden sind – Nehmen wir zB. FLATMATE:

Dieser extrem in seinen Dimensionen reduzierte Sekretär beschränkt sich auf das Wesentliche: Er besitzt eine Aussentiefe von rund 12cm, weil dann beidseitig exakt ein 8 cm breiter Ordner hineinpasst; Die Höhe der Arbeitsfläche resultiert aus ergonomischen Anforderungen und das Möbel ist gerade so breit, dass ein Laptop mit Mousepad darauf Platz findet. Das Möbel ist somit sozusagen im wesentlichen von maßlichen Rahmenbedingungen ausgeformt und vereint dennoch gleichzeitig alles, was für das moderne (heimische) Arbeiten auf engstem Raum benötigt wird.

Das Produkt FLATMATE steht dabei exemplarisch für meine Arbeitsweise. Ich frage mich vorab: Wo besteht ein Bedarf, wie kann ich den Nutzern durch meine Entwicklungen beim Wohnen, beim Arbeiten, beim Kochen usw. helfen. Mich interessieren Möbellösungen, mit denen bestehende Räume „umgenutzt“ oder in ihren Nutzungsmöglichkeiten erweitert werden können. Beim Entwurfsprozess überlege ich vorab: Wie reduziere/ vereinfache ich ein Möbel? Welche Eigenschaften muss es z.B. erfüllen, um einen knappen Raum nutzbar zu machen? Wie kann ich beispielsweise einen schmalen Flur oder ein Schlafzimmer elegant in ein Teilzeit-Büro verwandeln usw.

NL: richtig, das trifft auch direkt auf die nächste Frage zu! Mit dem Entwurf der „Flat-Family“ triffst du ja genau dieses Problem des Platzmangels. Das war vermutlich genau dein Ansatz, oder?

MH: absolut. Die Mietpreise in den größeren Städten gehen exorbitant durch die Decke – und da ist das Ende der Fahnenstange sicherlich noch nicht erreicht. Metropolen wie London machen es vor. Zwar gibt es in Deutschland die sogenannte Mietpreis-Bremse; Diese gilt jedoch nicht für möblierte Wohnungen. Somit zahlt man heute vor allem in der Großstadt für komplett mit Sperrmüll-Möbeln ausgestattete Souterrain-Wohnungen exorbitante Mieten.

Man muss es sich zukünftig einfach leisten können, direkt in der Innenstadt zu leben. Als überzeugter Stadtbewohner kann ich mich verdrängen lassen- Oder ich frage mich: Was kann ich ändern, um weiterhin mitten im Epizentrum einer tollen Stadt leben zu können? Reichen mir vielleicht doch 60qm Wohnfläche aus? Welche Dinge oder Möbel brauche ich wirklich? Wenn ich meinen Konsum sinnvoller gestalte, weniger jedoch hochwertige Kleidung kaufe statt jedem neuen Fummel hinterherzurennen, Musik und Filme über Spotify, Netflix und Co. genieße sowie eBooks lese benötige ich auch weniger klassischen Stauraum. Dies hat für mich dabei jedoch ganz und gar nichts mit Entbehrung und Mangel zu tun: Man legt halt Wert auf die Dinge die einem lieb und teuer sind und die ich wirklich für ein komfortables urbanes Wohnen benötige.

Das ist vielleicht nicht für jeden etwas- Schließlich ist ja Konsum für viele der liebste Zeitvertreib. Für Menschen die jedoch etwas anders und bewusster ticken, kann z.B. FLATMATE eine sinnvolle Ergänzung der Einrichtung darstellen: Er dient als hochwertiger, kompakter und vor allem bei Bedarf aktivierbarer Ort, an dem ich arbeiten oder mit weit entfernten Freunden oder der Familie via Skype + e-Mail kommunizieren kann usw.. Gleichzeitig bietet der Sekretär einen reduzierten aber funktionalen Stauraum für Dinge die mir wirklich wichtig sind: So erhalten diese „Kostbarkeiten“ ihren Stammplatz: FLATMATE schafft Ordnung- etwas das natürlich vor allem beim beengten Wohnen sehr wichtig ist.

NL: war tatsächlich der Messe-Besuch von Herrn Müller Sen. der Grundstein für die Zusammenarbeit?

MH: das war der Anstoß, genau. Seinerzeit habe ich den ersten FLATMATE Prototypen auf meinem eigenen kleinen imm- Messestand präsentiert. Plötzlich stand Herr Müller vor dem Sekretär und meinte mit seinem charmanten leichten friesischen Akzent: „Mhhh, das ist aber interessant !“- Der Rest ist Geschichte...

Müller hat das Potential in FLATMATE sogleich verstanden. Klar, es war auch von der Materialität her ein typisches Müller Produkt – Aber vor allem ist FLATMATE eben ein sogenannter „no-brainer“: Ein Produkt, das man sogleich intuitiv versteht- welches aber trotzdem (oder gerade deswegen) fasziniert.

Die Müller Möbelwerkstätten haben generell eine Antenne für gute Ideen - darüber hinaus war es jedoch offensichtlich genau der richtige Zeitpunkt für dieses Möbel. Das erste iPad war gerade auf den Markt gekommen und FLATMATE war eines der ersten Möbelstücke mit einer integrierten Tablet Halterung

So eine Zusammenarbeit hat eben auch sehr viel mit Glück zu tun - man muss einfach zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort auf die richtigen Leute treffen...

NL: wir sind ja ein mittelständisches Unternehmen. Bereitet es dir Freude eher, mit einem kleineren Unternehmen zusammen zu arbeiten? Was schätzt du besonders an unserer Kooperation?

MH: zum einen auf jeden Fall diese Offenheit! Das wir heute hier sitzen und uns einfach mal einen ganzen Tag Zeit nehmen, und konstruktiv über verschiedenste Dinge sprechen- Das ist halt in großen Unternehmen nicht immer so...

Bei Müller besteht ein genereller Mut zur Innovation. Das schätze ich sehr. Klar verzettelt man sich auch mal, denn nicht jedes gemeinsame Produkt wird zwangsläufig ein Erfolg- Aber Müller traut sich wenigstens im Gegensatz zu vielen grösseren Unternehmen auch mal etwas. Und ich schätze diesen Team-Gedanken: es ist einfach ein beinahe familiäres- dabei aber stets konstruktives Miteinander.

NL: der FLATMATE ist ja sehr bekannt. Es gibt aber ein weiteres, tolles Produkt. Nämlich den FLATFRAME. Kannst du da noch einmal ein bisschen was zu erzählen? Wie bist du drauf gekommen?

MH: Grundgedanke war: Wie kann ich die Idee des flachen Sekretärs auf die Spitze treiben? Obligatorisch ist hierbei natürlich eine horizontale Arbeitsfläche. Diese sollte hochgeklappt Magnetpinnwand, Tablet und Schreibgeräte verstecken. Und warum nutze ich die entstehende Front nicht auch noch als Bilderrahmen?

Dann spielen natürlich auch noch persönliche Bedürfnisse mit in den Entwurfsprozess hinein: Wenn ich zeichne, konstruiere usw. sitze ich immer an meinem stationären Rechner. Ich habe jedoch gelegentlich „Rücken“ und benötige daher einen zusätzlichen Steh-Arbeitsplatz: FLATFRAME lässt sich in einer individuell idealen Höhe an der Wand anbringen. Für die klassische Büroarbeit und Korrespondenz platziere ich dann mein MacBook gelegentlich auf der in Stehhöhe positionierten Arbeitsfläche - ich schalte also quasi meinen Steharbeitsplatz ein und werde gleichzeitig dazu gezwungen, mich während des Arbeitens zu bewegen und dabei meine Position und Körperhaltung zu verändern. Wird dieser Arbeitsplatz nicht mehr benötigt verschwindet er sozusagen, weil der FLATFRAME zugeklappt lediglich eine Tiefe von rund 5cm besitzt.

NL: so, jetzt mal ganz kreativ gefragt! Wo bzw. wie holst du dir Inspiration?

MH: ich schwinge mir nicht den Künstler-Seidenschal um, öffne eine Flasche Prosecco und seufze „So - heute lasse ich mich mal inspirieren...!“ Meine Inspirationsquelle ist der Alltag und all die kleinen Probleme, die man andauernd zu bewältigen hat. Ich lebe in Berlin und da prasseln unentwegt zahllose Dinge auf einen ein. Während der Woche hat man oft gar nicht die Möglichkeit, die Ideen hervorsprudeln zu lassen. Sobald ich jedoch in meinem Garten ausserhalb der Stadt auf der Wiese sitze, Rasen mähe oder einen Baum fälle, kommen die Ideen häufig einfach so raus und werden sogleich in meinem Skizzenbuch festgehalten. Habe ich dieses nicht dabei, fühle ich mich regelrecht nackt. Ich bin eigentlich völlig frei von irgendwelchen Zwängen - aber zum Skizzenbuch gehört auch immer ein ganz bestimmter Tintenroller hinzu. Ohne diesen wollen die Ideen einfach nicht fließen. Das ist so mein kleines Ritual...

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NL: gibt es aktuelle Trends in Bezug auf Farben oder Materialien, die dich besonders interessieren?

MH: aktuell sprechen wir über neue mögliche Oberflächen für den FLATMATE– Diese werden natürlich zum Produkt passen, im Trend liegen sowie optisch ansprechend sein - gleichzeitig jedoch auch funktionelle Aspekte berücksichtigen. Oberflächen müssen für mich mehr sein als Dekore. Sie sollten idealerweise die Haut eines Produktes darstellen.

NL: zum Abschluss möchten wir natürlich noch wissen, ob wir auch für das Jahr 2017 mit spannenden, neuen Entwürfen von dir rechnen können?

MH: ich habe da gleich mehrere schicke neue Möbel für Euch in der Pipeline  - in diese Richtung habe ich auch noch nichts für euch gemacht [wir verraten an dieser Stelle noch nicht zu viel].

Ich sage mal ganz unbescheiden: Diese Produkte sind jeweils Ideen bei denen man sich sagt „warum ist da vorher eigentlich noch keiner drauf gekommen?“ Dabei handelt es sich jedoch nicht um bemühte aufwändige Designs sondern wie ich finde einfach um gute Ideen mit hohem Wiedererkennungs-Potential. Also eben typische Müller-Möbel.

NL: wir sind gespannt! Ich danke dir herzlich für das tolle Gespräch!

MH: sehr gerne!

 

*das Interview führte Neele Lipskoch*

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  • Spannend

    Ich bin gespannt, ich mag seine Designs.

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